Wie kann ich auf sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz/im Rahmen meines Studiums reagieren?

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Wenn Sie sich am Arbeitsplatz/im Rahmen Ihres Studiums sexuell belästigt fühlen, geht es darum, die grenzverletzende Person in die Schranken zu verweisen, wenn möglich


  • den Vorfall zu dokumentieren (Protokoll schreiben, Mails sichern, Kontaktdaten von Zeug*innen notieren).
  • die eigenen Gefühle und Gedanken zu sortieren.
  • den Vorfall nicht zu verschweigen.

Die grenzverletzende Person in die Schranken verweisen


Machen Sie der entsprechenden Person möglichst unmittelbar in der Situation deutlich, dass Sie sich belästigt fühlen. Sie sollten ein klares „Nein!“, „Hören Sie auf damit!“ oder „Unterlassen Sie das!“ aussprechen, da dies in der Regel effektiver ist als das Ignorieren der Situation oder das Vermeiden von Kontakt. Damit Sie das Verhalten frühzeitig stoppen und der belästigenden Person deutlich machen, dass ihr Verhalten unangebracht ist, sollten Sie möglichst das Wort ergreifen, auch wenn das in hierarchischen Beziehungen besonders schwer ist. Das geht u.U. auch im Nachhinein, indem Sie sich schriftlich oder mündlich äußern. Auch mit Ihrer Körpersprache können Sie vermitteln, dass eine Grenze überschritten ist. Sollten Sie in der jeweiligen Situation oder auch über einen längeren Zeitraum nicht in der Lage sein, sich entsprechend zu positionieren, bedeutet dies jedoch nicht, dass Sie Schuld haben oder dass das grenzüberschreitende Verhalten der belästigenden Person dadurch legitimiert wird.



In dem Moment der sexuellen Belästigung kommt es häufig vor, dass man perplex ist, einem die Worte fehlen und es schwerfällt, schlagfertig zu reagieren. Dazu hilft es, sich ein kleines Repertoire an Antwortmöglichkeiten zuzulegen, die zu einem selbst passen und dann an die jeweilige Situation adaptiert werden. Hilfreich ist, Sätze wie die folgenden auch schon mal laut ausgesprochen und vielleicht sogar im Rollenspiel geübt zu haben:


  • „Ihr Verhalten überschreitet das, was man unter einem respektvollen Umgang versteht, bei weitem.“
  • "Ist Ihnen bewusst, dass Ihre Aussage sexistisch ist, und dass sie nicht gut ankommt?“
  • "Ich finde Ihre Wortwahl völlig unangemessen und verbitte mir so einen Umgangston.“
  • „Das, was Sie hier scheinbar scherzhaft von sich geben, gehört nach meinem Dafürhalten nicht zu unserer Arbeitsbeziehung.“

Ändert die Person ihr Verhalten nicht, dann können Sie sagen: „Ich werde mich hierüber beschweren.“



Sowohl die Gegenwehr gegen sexuelle Belästigung als auch das stille Darüber-Hinweggehen können unangenehme Folgen haben. Suchen Sie in diesem Fall unbedingt eine Beratung auf, damit Sie das Problem nicht mit sich allein herumschleppen. Es wird Ihnen auch niemand vorwerfen, wenn Sie es nicht geschafft haben, sich zu wehren. Nehmen Sie aber immer Ihr eigenes Empfinden ernst, dokumentieren Sie den Vorfall oder die Vorfälle sowie das, was Sie in dem Moment empfunden haben, möglichst genau, was bei Fortbestehen der Situation u.U. zu einem späteren Zeitpunkt nützlich sein kann.



Auch ist es häufig, dass erst hinterher das Bewusstsein entsteht, dass die andere Seite eine Grenze überschritten hat. Es kann dann das Gefühl entstehen, zu lange „mitgemacht“ zu haben. Genau das wird aber oft ausgenutzt und soll daher niemanden daran hindern, das „Nein“ auch später auszusprechen.



Die eigenen Gefühle und Gedanken sortieren


Dass man bei einer sexuellen Belästigung häufig erst einmal perplex und sprachlos ist, hat damit zu tun, dass die grenzverletzende Person das Überraschungsmoment nutzt. Gewissermaßen stumm ist man aber auch dann, wenn die Belästigung schleichend beginnt, man sie am Anfang für harmlos hielt und dann später nicht mehr den Punkt findet, auf den man aktiv reagieren kann. Oder aber wenn man bis zu einem gewissen Punkt einverstanden war, dann aber den Moment verpasst hat, deutlich „nein“ zu sagen.



Wie immer, wenn man sich angegriffen fühlt, setzt das Reaktions-Schema „fight or flight“ ein. Beides funktioniert vielleicht fürs Erste und manchmal reicht es auch aus, um klare Grenzen wieder zu errichten. Bei den meisten Betroffenen aber wird eine Mischung aus allen möglichen Gefühlen in Gang gesetzt.



Bei „fight“ kann sich die Angst vor der eigenen Aggressivität einstellen, d.h. die Sorge, bei der Gegenwehr nicht das richtige Maß zu finden. Insbesondere Personen, die in einer untergebenen Position sind, fürchten sich vor massiven Konsequenzen wie den Verlust des Arbeitsplatzes oder die schlechte Benotung bei Prüfungen. Auch kann bei „fight“ ein Schuldgefühl hineinspielen, das Ganze falsch eingeschätzt zu haben und der belästigenden Person Unrecht zu tun. „Falsch“ oder inadäquat reagiert zu haben, kann Schamgefühle auslösen oder die Angst, von anderen beschämt zu werden. All dies sind Gefühle, die man normalerweise aus dem Arbeitsleben heraushält.



Folglich entscheiden sich die meisten Opfer von Belästigung für „flight“, also für Vermeidung, Nicht-Wahrhaben-Wollen, Ignorieren und andere Ausweichstrategien, was aber weder die Verletztheit lindert, noch das Problem löst, ja es sogar verschlimmern kann. Es stellen sich Selbstzweifel ein („was habe ich dazu beigetragen?“ „ich bin unfähig mich angemessen zu wehren“), und dies, obwohl man eigentlich doch genau weiß, dass es selbst dann, wenn man selbst uneindeutig war, keine Legitimation für entwürdigendes Verhalten gibt. Hinzu kommt die Angst vor der Wiederbegegnung oder der Eskalation. Auch hier spielen wieder Schamgefühle hinein - Scham aus Ohnmacht und Fremdscham - manchmal auch Ekel oder Selbstekel, und letzteres besonders dann, wenn man sich gegen den eigenen Willen plötzlich geschmeichelt oder begehrt fühlt.



Im Zusammenhang mit sexueller Belästigung können Erinnerungen an frühere Erfahrungen mit Grenzverletzungen wachgerufen werden, die womöglich auch schon früher nicht optimal gelöst werden konnten, und die meist von sozialer Isolation ohne Hilfe von außen geprägt waren.



Heftige Gefühle sind fast ebenso schwer bei sich selbst zu tolerieren wie die sexuelle Belästigung selbst. Wenn man sich jedoch nicht Zeit und Raum gibt, die ausgelösten Gefühle und Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen zu klären und zu sortieren, läuft man Gefahr, nicht mehr klug, rational und beherzt handeln zu können und Lösungen eher zu erschweren als zu ermöglichen.



Hilfreich beim Sortieren der eigenen Gefühle und bei der Frage, welches die nächsten Schritte sind, die eingeleitet werden können, sind:


  • Tagebuchnotizen
  • Dokumentation des Vorfalls (Protokoll schreiben, Mails sichern, Kontaktdaten von Zeug*innen notieren),
  • Kurzes schriftliches Festhalten der durch die Situation ausgelösten Gefühle
  • Gespräche mit vertrauten Personen
  • Gespräche mit (professionellen) Dritten in Beratungsstellen oder Hilfehotlines

Es gibt noch mehr Möglichkeiten, sich abzureagieren, zu distanzieren oder frei zu machen von einem unangenehmen Erlebnis, die sehr individuell sein können. Es lohnt sich immer zu überlegen, was einem helfen könnte.



Den Vorfall nicht verschweigen


Es gehört zum Wesen von sexueller Belästigung, dass sie entweder hinter verschlossenen Türen stattfindet oder vor Zeugen, die nicht eingreifen. Neben „fight or flight“, was immer nur ein dyadischer Bewältigungsversuch ist, gibt es noch die hilfreiche Option der Triangulierung, nämlich, die erzwungene Intimität zur Sprache zu bringen und*oder Dritte einzubeziehen.



So könnte die betroffene Person zum Beispiel sagen:



„Was meinen Sie, wie andere Ihr Verhalten mir gegenüber beurteilen würden?“



„Gibt es jemanden hier im Raum, der oder die mir einen Rat gibt, wie ich auf das Verhalten von X am besten reagiere?“



Weiterhin kann es hilfreich sein, eine*n kompetente*n Berater*in aufzusuchen und*oder sich mit Kolleg*innen oder Freund*innen auszutauschen. Auf diese Weise wird das passiv Erlittene in Aktivität gewendet, was ein wichtiger Schritt bei der psychischen Bewältigung und Wiedererlangung von Kontrolle und Selbstwirksamkeit darstellt ist.



Sexuelle Belästigung sprengt den Rahmen des allgemein geltenden „code of conduct“ und betrifft daher das gesamte Arbeitsumfeld. Wenn niemand über den Vorfall spricht, kommt auch nicht heraus, ob es weitere Grenzverletzungen gibt. Es kann sich nach und nach ein Klima ausbreiten, in dem sexualisierte Übergriffigkeiten zunehmend für normal gehalten werden. Nur durch das Zur-Sprache-Bringen wird verhindert, dass es weitere Vorfälle in der Zukunft gibt. Der*die Betroffene übernimmt also auch Verantwortung für Nachfolgende.



Noch ein Hinweis: Zurückhaltung und Vorsicht im Umgang mit sozialen Medien ist geboten. Auch bei "Täter*innen" sind wir alle strikt verpflichtet, die Persönlichkeitsrechte zu wahren.


Dieser Artikel wurde von Universität Augsburg erstellt und zuletzt am aktualisiert.