Flirt, Grenzverletzung oder sexuelle Belästigung - wo liegen hier die Übergänge?

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Sexuelle Belästigung kann entweder abrupt auftreten, was leicht zu erkennen ist, oder auch als Flirt beginnen, an dem beide Personen beteiligt sind. Hier stellt sich die Situation komplizierter dar, denn Flirt ist ja durchaus ein Spiel mit den Grenzen, mit der Ungewissheit und dem Geheimnisvollen, und das damit verbundene Risiko wird von beiden Beteiligten als anregend empfunden. Häufig wird das beiderseitige Einverständnis als Kriterium für einen Flirt genannt. Aber so einfach ist das nicht, denn es gibt immer Unterschiede beim Empfinden für das Tempo oder die Art, wie man aufeinander zugeht. Beim Flirt kommt es also nicht nur auf das Einverständnis, sondern darauf an, ob das gelingt, was Psycholog*innen die Situations- und Beziehungsregulation nennen, nämlich ob

  1. beide die persönlichen Wünsche und Ängste des*der Anderen wahrnehmen, realisieren und wertschätzen,
  2. der- oder diejenige, der*die „mehr will“, die Wirkung dessen auf den*die Andere*n empathisch antizipieren kann und
  3. das eigene Verhalten darauf abstimmen kann.

Wenn das nicht der Fall ist, kann aus einem Flirt eine sexuelle Grenzverletzung werden.


Das Problem: Der Übergang wird fließend sein und beginnt manchmal auch unmerklich - auch für den*die von Grenzverletzung Betroffene*n. Aus Angst oder Scham, die eigene Grenze zu zeigen, manchmal auch aus einer inneren Ambivalenz heraus oder weil man nicht wahrhaben will, dass es einem zu viel ist, oder weil man glaubt, dass man unerwünschte Verhaltensweisen selbst ausgelöst hat, kann es vorkommen, dass unklar kommuniziert wird, was die Sache verschlimmert.


Es hilft aber eine Regel, die zu jedem Zeitpunkt gilt:


Wer A sagt, muss nicht B sagen!


Ein „Halt!“ ist immer zu respektieren, auch wenn es ungeschickt, uneindeutig oder sogar mit Anzeichen von Ambivalenz oder Schuldgefühl kommuniziert wird. Bei aller Enttäuschung darüber, dass der Flirt nicht weitergeht, ist der- oder diejenige, dessen oder deren Verhalten als grenzverletzend empfunden wurde, gefordert, empathisch zu reagieren, sein*ihr Verhalten zu korrigieren und sich entschuldigen. Sollte er oder sie nicht nachlassen, Versprechungen machen (z.B. Prüfungserleichterungen, gute Beurteilungen) oder gar mit der Androhung von Nachteilen reagieren, dann geht es eindeutig um Dominanz, schlimmstenfalls um Missachtung, Erniedrigung, Missbrauch und Gewalt.


Zusammenfassung:

Sexuelle Belästigung ist durch Unerwünschtheit und Würdeverletzung bestimmt. Ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich bei einem beobachteten Verhalten um eine sexuelle Belästigung handelt, ist nicht in erster Linie die Intention, die der sexuellen Annäherung zugrunde liegt, sondern die Wirkung, wie das Verhalten bei der betreffenden Person ankommt. Da es um individuelle Grenzempfindungen geht, ist es für potenzielle Opfer – aber ebenso auch als Feedback für grenzverletzende Personen – umso wichtiger, die persönlichen Grenzen wahrzunehmen und wenn möglich aufzuzeigen und dazu zu stehen.

Dieser Artikel wurde von Universität Augsburg erstellt und zuletzt am aktualisiert.